„Reisen macht einen bescheiden. Man erkennt, welch kleinen Platz man in der Welt besetzt.”
Gustave Flaubert
Wir sind keine Sammler, aber bei einem unserer letzten Flohmarkt-Spaziergänge konnte ich an einer Handvoll alter tunesischer Briefmarken nicht vorbeigehen. Für sage und schreibe bloß 1€ wechselten sie an dem sonnigen Sonntagnachmittag ihren Besitzer und wir recherchierten aus Neugier, wer diese damals gestaltet hat.
Der Künstler
Hatim El-Mekki, in Indonesien geboren uns in Europa und Nordafrika aufgewachsen, war in der Nachkriegszeit auch als Journalist und Lehrer tätig. Seine Briefmarken wurden in Frankreich, Italien, Japan, China und auch in Deutschland ausgestellt und ausgezeichnet.
Weit in der Welt herumgekommen, verbrachte El-Mekki seinen Lebensabend in Karthago.
Seine Werke
Wie kommt man zum Zeichnen von Briefmarken? Bei Hatim El-Mekki hat der Ärger über die Einfallslosigkeit der tunesischen Postverwaltung den Ausschlag gegeben. Und weil der Postminister diese Ansicht teilte, konnten heitere Motive mit teils hintergründigem Witz den Weg auf Briefumschläge aus Tunis, Sfax oder Media finden.
Seit mehreren Jahrzehnten zeichnete El-Mekki Briefmarken. Über 250 Entwürfe wurden in Millionen Auflage auch tatsächlich gedruckt und die Vorlagen ebenso von den vereinten Nationen wie von arabischen Emiraten und afrikanischen Staaten angenommen.
El-Mekki gehörte zu denjenigen muslimischen Künstlern, die das uralte Tabu der Darstellung lebender sprengten und ein Umdenken in der künstlerischen Auffassung der arabischen Welt hervorgerufen haben. Nämlich auch der Mensch ist bildlich zu erfassen! Der Künstler karikierte auf seinen Briefmarken historische Figuren und Landsleute seinerzeit. In den frühen sechziger Jahren machten den nordafrikanischen „Naiven“ (wie man sie zunächst nannte) in Europa von sich reden. Diese neue, exotische Kunst war schnell on Vogue, und Künstler wie Hatim El-Mekki kamen fast über Nacht zu internationalen Ruhm.
Alte Traditionen neu interpretiert
Es sei lobend an dieser Stelle erwähnt, dass El-Mekki es sich zur Aufgabe machte, alte Brauchtümer seiner nordafrikanischen Heimat modern und einprägsam darzustellen, ehe diese Tradition in Vergessenheit geraten.
Dementsprechend hieß eine seiner sechsteiligen Marken-Serien „Tunesische Tradition“, die auf einzigartig gelungene Art Grafik, Karikatur und Kalligraphie vereint. So trug auf einem Motiv inmitten einer typischen Hochzeitsszene auf Djerba ein Kamel die Braut. Der Körper des Tieres bestand aus den kalligrafierten Worte „es geschieht nur das, was Gott will“. Viele ähnliche Motive rundeten diese Herangehensweise seiner Gestaltung ab.
El-Mekkis Markenzeichen
Zum Markenzeichen des Künstlers wurde das heitere Strichmännchen am Rande der Serie über die Volkskunst. Ob nun der Vogelkäfig aus Sidi Bou Saïd oder eine Teppichmustersammlung aus Gafsa dargestellt wurden: das Strichmännchen posierte stets amüsiert in wechselnden Haltungen. Eben dieser Ausdruck der Lebensfreude fand sich beispielsweise auch in den Bauerngesichtern der Landwirtschafts-Serie.
Besondererer Witz einiger seiner kleinen Kunstwerke lag aber in den geringen Werten der Frankierung. So blieben – neben den tatsächlich nutzbaren seriösen Auftragsarbeiten – einige seiner kleinen farbenfrohen Bildchen bloß Ziermarken und erfreuen bestimmt heute so manches Sammlerherz.