Ein Bad erfrischt den Körper, eine Tasse Tee den Geist.
Japanisches Sprichwort
Im Land der Gastfreundlichkeit, dem mediterranen Dolce Vita, des Dufts von Jasmin und Orangenblüten, sind Gemütlichkeit und Genuss feste Bestandteile der Tradition.
Wir sind gerade gelandet und auf schnellstem Weg zum Haus von Rajas Cousine gefahren. Asma hat für uns Tee zubereitet.
Braungrün sprudelt der rituelle Begrüßung-Tee aus der silbernen Kanne aus der Entfernung einer Armspanne in winzige Gläser, auf die zierlich goldene Koranverse graviert sind. Der Tee schwappt sirupartig mit schaumiger Krone im Glas hin und her.
Das erste Glas gilt der Ehre Allahs, das Zweite ist Muhammad, dem letzten Propheten gewidmet, das dritte wird auf das Wohl des Gastgebers geleert und erst beim vierten darf der Gast entscheiden, ob er’s noch trinken möchte oder nicht. Andere sagen, das erste Glas ist bitter wie das Leben, das zweite stark wie die Liebe und das dritte sanft wie der Tod.
Ich liebe den Tee in Tunesien – zum Glück, denn einen Begrüßungstee abzulehnen, gehört sich nicht.
Der Genuss von Tee erfordert Gelassenheit
In drei, vier Schlückchen könnte das kleine Glas geleert werden. Doch die Cafébesucher in Tunesien dehnen den Teegenuss lieber ins Unendliche. Nicht nur in der kalten Jahreszeit ist es wichtig, gut für Seele und Körper zu sorgen. Tee eignet sich dazu hervorragend. Er wärmt von innen und aktiviert mit seinem intensiven Duft und Geschmack alle Sinne. In Tunesien ist es doch beinahe das ganze Jahr über warm; da scheinen kalte Getränke bei Hitze erfrischender zu sein. Ein Trugschluss! Wenn du bei heißen Temperaturen warmen Tee trinkst, wirst du schnell eines besseren belehrt. Die warme Flüssigkeit reguliert deine Körpertemperatur, was dazu führt, dass du dich erfrischter fühlst als durch ein Eisgekühltes. Generell gilt: Wer Tee trinkt, hat Zeit.
Die Herkunft des Tees
Tee wurde in den Maghreb-Staaten im 18. Jahrhundert von englischen Händlern eingeführt, zusammen mit der damals in England modischen birnenförmigen Teekanne. Dieses Modell gelangte später bis in die Länder der Sahara und bildet bis heute die Grundform vieler Teekannen. In städtischen Bürgerhäusern und genauso in Nomadenzelten in der Wüste hat sich seither eine Teezeremonie entwickelt, die zu einem geselligen Beisammensein und zum Begrüßungsprogramm eines Gastes gehört. Ende des 19. Jahrhunderts berichteten europäische Reisende von zahlreichen Handelskarawanen, die grünen chinesischen Tee und Zucker durch die Wüste transportierten.
Die Zubereitung
Zu Beginn werden die trockenen, gerollten Teeblätter in der Kanne oder im Topf mit etwas heißem Wasser übergossen, das nach einigen Sekunden weggegossen wird, um die Blätter vom Staub zu befreien und leicht aufzuquellen. Die Kanne wird nun mit heißem Wasser aufgefüllt und mit Zucker versetzt.
Zur Teezubereitung wird in einem Topf oder in einer Kanne grüner Tee über eine Viertel Stunde in Wasser gekocht. Anschließend wird das Teewasser von den Blättern abgegossen und mit viel Zucker in einer anderen Kanne sprudelnd erhitzt. Durch das wiederholte Aufkochen wird der Tee süßer. Erst jetzt fügt man nach Lust und Laune frische Minzeblätter beim Aufkochen oder erst beim Servieren in die Gläser hinzu. Die regionalen Unterschiede zeigen sich bei den Mengenangaben, Kochzeiten und in der Art, wie der Tee serviert wird.
In Tunesien gießt man gekonnt den Tee aus hohem Bogen gezielt in das erste der kleinen Gläser, bevor es wieder zurück in die Kanne gegossen wird. Diese Prozedur wird wiederholt, bis sich im Glas eine hohe Schaumschicht gebildet hat. Zwischendurch wird mehrfach probiert und nachgesüßt. Erst wenn die Geschmacksprobe zufriedenstellend war, erhält der Gast seinen Tee serviert. Vor der zweiten Runde wird der Tee in der Kanne mit kochendem Wasser und mit dem übrig gebliebenen konzentrierten Tee aufgefüllt und nochmals aufgekocht. Da der Schaum in den Gläsern erhalten bleibt, erfordert das zweite Eingießen nicht mehr so viel Körpereinsatz.
Manche sagen, die Teezubereitung sei Männersache, im Unterschied zum Essen, das traditionell in weiblicher Hand liegt. Das Zubereiten des Tees ist eine Art Kulturgut.
Die Sorten
Ein typisch tunesischer Tee basiert auf einer sehr starken Schwarzteemischung oder leichterem grünen Tee. Meist wird für die grüne Variante die chinesische Sorte Gunpowder benutzt.
Es ist aber nicht allein der Tee mit seinem spezifischen Aroma, sondern die zusätzlichen Zutaten, die ihn zum Geschmackserlebnis machen. Auf tunesischem Boden gedeiht eine Vielzahl an Heil- und Gewürzpflanzen: Thymian, Verveine, Fenchel, Jasmin und vieles mehr. Für jedes Wehwehchen und jeden Geschmack ist hier ein Kraut gewachsen.
Ebenso abwechslungsreich ist auch die Teeauswahl, obgleich alle eines gemein haben: Tee wird hier süß getrunken. Auch wenn ich in Deutschland meinen Tee stets ohne Zucker bevorzuge, mag ich ihn in Tunis trinken wie die Einheimischen und genieße jeden sirup ähnlichen Schluck. Wie so viele kulinarischen Genüssen in der schönsten Zeit des Jahres, schmeckt der Tee hier einfach besonders gut.
Eigentlich existiert keine bestimmte Tageszeit zum Teetrinken; jedes Zusammentreffen von Verwandten oder Freunden ist Grund genug, einen Tee zu zuzubereiten. Ein längerer Aufenthalt in einem der Geschäfte im Souk, kann ebenso ein Anlass sein, dem Kunden einen süßen Tee anzubieten und ein wenig zu plaudern oder nach der Mittagspause um müde Geister wieder munter zu machen.
Nicht ohne Grund sieht man in den Souks immer wieder einen Mann mit einem großen Tablett und heißem Kessel durch die engen Gassen schlendern und seinen Tee anpreisen. Das ist mal Tee to go auf Tunesisch. Die Gläser, wohlgemerkt keine Pappbecher sammelt der Mann irgendwann später wieder bei den Händlern der Nachbarschaft ein.
Nach dem Essen
Auch nach dem Essen gehört das Heißgetränk dazu. Feurig scharf und tomatenrot sind die meisten Gerichte der tunesischen Küche. So stark die orientalisch-mediterrane Küche mit Couscous, Pasta und frittierten Eierspeisen dem ein oder anderen Europäer einheizt, so süß ist der Abschluss. Zur Verdauung empfiehlt sich ein „the achthir”, ein grüner Tee oder ein „the achthir bil nana” ein Minztee, der in den filigranen Gläsern dampft.
In einigen Cafés wird grüner Tee in kleinen Kannen serviert, mit denen jeder Gast selbst die im Glas vorbereitete Minze und weißen Zucker übergießt.
Am Nachmittag
An einem gemütlichen Nachmittag im Cafe, mit Blick aufs Meer kann ebenso Anlass für den Genuss eines Tees sein. Neben einer nach Apfel duftenden Shisha hält man sich auch gerne lange an einem Tee auf. Nicht ohne Grund wird Tee in Tunesien gerne mit Pinienkernen oder Mandeln serviert. Und zwar, nicht wie du jetzt sicherlich annimmst in einem Extra-Schälchen, sondern im Tee schwimmend. In diesem Zusammenhang setzen die Tunesier aber nicht auf grünen, sondern auf „the achmar”, also roten Tee, der nach deutschem Verständnis nicht Früchtetee sondern ein starker Schwarztee ist. Diese kleinen „Hindernisse” sorgen wie von selbst dafür, dass man mit weniger Hast an seinem Tee nippt.
Insbesondere Pinienkerne geben dem Tee ein ganz unverwechselbares Aroma mit leicht nussiger Note. der Tee wird dadurch nicht nur leicht bekömmlich, sondern die im Tee erwärmten Pinienkerne sind extrem lecker.
Für den Magen
Passionierte Kaffeetrinker greifen wohl nur gelegentlich zu Tee, wenn sie Magenprobleme haben. Während die Deutschen hier oft auf Kamille oder Fenchel setzen, greift man in Tunesien zu Verveine. Verveine-Tee eignet wirkt sich positiv auf die Verdauung aus. Auch bei akuten Magenkrämpfen sowie Verstopfung soll der Kräutertee Linderung verschaffen. Manche sind sogar davon überzeugt, dass Verveine gegen Schlaflosigkeit und Stress hilft.
Ein Schwarztee, mit Zugabe von Rosmarin, Thymian und Minze kann eine wohltuende Alternative bei Beschwerden sein. Alle Zutaten werden etwa eine viertel Stunde aufgekocht, durch ein Sieb gegossen und falls er dir zu stark ist, mit ein wenig heißem Wasser gestreckt sowie nach Belieben mit Honig gesüßt.